Hilft beim Denken: Der Vortrag von Prof. Potthast.

Dass Naturschutz kein Selbstzweck ist, sondern im Kontext zum Menschen steht, der seine Lebensgrundlagen schützen muss, hat der einstündige, strukturierte Vortrag von Thomas Potthast am Donnerstag im Waiblinger „Bürgerzentrum“ deutlich gemacht. Gebucht hatte den Professor, der an der Uni Tübingen den Lehrstuhl für Ethik in der Biowissenschaft hat, der BUND-Kreisverband.

Sinnspitze des Biologen und Philosophen: Die Natur braucht unseren Schutz nicht, aber wir sollten das Thema würdigen. Hilfreich für die vielen Laien in dem rund 40-köpfigen Auditorium, die sich ganz praktisch für den Umwelt- und Artenschutz in ihrem Alltag engagieren, waren die theoretischen Grundlagen, die der Wissenschaftler referierte und mit praktischen Beispielen verdeutlichte.

So klärte er etwa den „Natur“-Begriff, für den es drei Deutungen gibt: Natur im Gegensatz zu allem, was der Mensch erschaffe hat (Artefakte); Natur als alles Welt-immanent Entstandene im Gegensatz zum Transzendenten und schließlich Natur als moralische Kategorie, die zwischen „natürlich“ und „widernatürlich“ unterscheidet. Potthast war wichtig, dass es bei aller Systematik im Diskurs dynamische Übergänge gibt.

So spricht er von „Graduenten der Natürlichkeit“ zwischen den Polen Natur und Kultur und definiert fünf Abstufungen: Natur als Ökosystem, das rein wissenschaftlich betrachtet. Natur als Landschaft, die emotionalisiert und wertet, z.B. nach Ästhetik, Heimat. Natur als Schutzgebiet, bei dem das Werten und Abwägen an Bedeutung zunimmt, z.B. Biodiversität. Natur als Ressource, die sich rein an der Nützlichkeit (für den Menschen) orientiert und schließlich Natur als Mitwelt, bei der es um Respekt und Wertschätzung für alles geht, was existiert.

Entsprechend interdisziplinär muss der Diskurs zwischen Biologen, Philosophen, Geologen und Betriebswirten erfolgen. Potthast: „Allein schon, wenn wir über den Schutz von Wiesen sprechen, bringt jeder unterschiedliche Interessen ein.“ Dem einen gehe es um die Pflanzen, dem nächsten um Bodenbrüter und Insekten und dem Ornithologen sei wichtig, was Vögel aus der Wiese brauchen. Deshalb sei der ideologiefreie Diskurs so wichtig, für den es wiederum Ethik braucht.

Moral (aus dem Lateinischen) sei die individuelle Betrachtung, während die Ethik (aus dem Griechischen) den normativen Überbau bildet. Der Philosoph Hans Jonas habe in seinem Klassiker „Prinzip Verantwortung“ postuliert, dass es nicht um die schiere Existenz des Menschen gehe, sondern seine kulturelle Vielfalt und Ermöglichung. Denn „eine Welt ohne Menschen wäre unmoralisch.“ Daraus leiten sich wieder drei Ethiken ab, die jeweils enger oder weiter gefasst sind.

Da sind der instrumentelle Nutzwert quasi als unterste Stufe, due auf Klugheit basiert und bereits den „Klimaschutz“ begründet. Nächste Stufe ist der subjektiv-relationale Eigenwert, bei dem es etwa um Erinnerungen und Erbstücke geht. Und schließlich der intrinsische Selbstwert, bei dem es überhaupt nicht mehr um ein Interesse im Außen geht, sondern den Wert an sich um seiner selbst willen. Und nur auf dieser Ebene spielt Moral eine Rolle.

Im weiteren Teil variierte Potthast das Gesagte, in dem er nochmals andere Perspektiven eröffnete wie Anthropozentrik (Mensch steht im Mittelpunkt; Vernunft); Pathozentrik (Leidensfähigkeit ist die Kategorie, dann sind auch Tiere gemeint); Biozentrik (dann sind Pflanzen auch gemeint und Leben an sich) und schließlich der Holismus, das alles Umfassende (dann sind gesamte „Natur“ und alles, was existiert inkludiert). Da wir „nur schätzen, was wir kennen“ oder auch, wofür wir Namen haben, helfen uns Emotionen, wirklich in Beziehung zu treten.

Potthast warnt aber davor, mit Gefühlen zu argumentieren. Denn diskutierbar sind nur Fakten und „moralische Überlegenheit“ für sich zu postulieren, grenze den anderen aus statt mit ihm in Dialog zu kommen. Entsprechend laufe die Konfliktlinie nicht zwischen Mensch und Natur, sondern immer zwischen Menschen, die ohnehin Teil der Natur haben, weil sie unterschiedliche Prämissen, Interessen oder auch Erkenntnistiefen (z.B. Wissen über Zusammenhänge) haben.

Eine lebendige Frage- und Statement-Runde der Zuhörerschaft, die typischerweise wieder eher Technologie- und Kapitalismus-kritisch war und depressive Züge hatte, rundete die knapp 1,5-stündige Veranstaltung ab, an die sich die BUND-Mitgliederversammlung anschloss. Doch der Professor mit seinem Fakten-basierten Ansatz nahm der Fragerunde etwas von ihrem Skeptizismus.

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