Energieautark wohnen ist möglich und senkt die Nebenkosten massiv. Das war eine zentrale Botschaft des kommunalen Immobilientags, den am Donnerstag, 25. Juli, Immobilienfinanzierer, Vertreter von Kommunen und Bürgerenergiegenossenschaften sowie Bauträger und Eigentümer von Baugrund im Orange Campus Conference Center in Neu-Ulm besucht haben. PV-Anlagen, Speicher, BHKWs, Wärmepumpen und andere Techniken in Verbindung mit Energiemanagementsystemen sowie Betreibermodellen für Eigentümergemeinschaften, Stichwort Mieterstrom, machen Häuser und Wohnungen im Idealfall nahezu energieautark, so mehrere Referenten. Nicht zuletzt dank Förderungen bis zu 70 Prozent rechneten sich viele Investitionen demnach binnen fünf bis acht Jahren.
Wolfgang Kempfle, der mit seiner gleichnamigen Firma in Leipheim seit 2009 bereits mehr als 7000 PV-Anlagen installiert hat: „Die Refinanzierung hängt immer vom Einzelfall ab und davon, wie sich der Strompreis entwickelt, zu dem man ihn extern beziehen müsste.“ Als Faustformel gelte, ab einer Eigenverbrauchsquote von 50 Prozent würden Gemeinschaftslösungen ab zwei Haushalten interessant. Mit Speichern, die heute bereits serienmäßig mit einem programmierbaren Energiemanagementsystem ausgestattet sind, erreiche man diesen Wert leicht. Fahre man zudem elektrisch, seien Quoten von 80 Prozent und mehr realistisch.
Der Fachmann, der an mehreren Standorten als Full-Service-Anbieter 140 Mitarbeiter beschäftigt: „Mit meinem PV-Strom fahre ich 100 Kilometer für 1,50 Euro.“ Da die Strompreise zunehmend variabel und 15-minütig erfasst würden, könnten Auto und Speicher in diesen Billigpreisphasen, mit Netzstrom geladen werden. Via Smart Grid kann der Betreiber definieren, dass er Netzstrom dann ziehen will, wenn die Kilowattstunde (kWh) fünf, drei Cent oder nichts kostet. Der PV-Experte: „Das ist wie früher mit den Nachtspeicheröfen.“
Auf solche Verfahren, um die Nebenkosten für Energie gegen Null zu drücken, setzt seit Jahren die Falc Immobilien GmbH & Co. KG in München. Deren Lizenznehmer Manfred Kenner, der klassisch makelt, aber auch bayernweit baut, setzt bei seinen Objekten serienmäßig auf autarke Energieversorgung, geringe Flächenversiegelung, Zisternen zur Trinkwassereinsparung, regionale Lieferketten und modulare Holzständerbauweise.
Dabei reicht seine Range aktuell vom 60 Quadratmeter großen Bungalow mit Garage unterm Haus bis zum dreigeschossigen Mehrfamilienhaus, wobei er technisch bis zu acht Etagen errichten kann. Da die Baugrundstücke in der Regel kaum größer als 300 Quadratmeter sind, kommt er auf Festpreise für freistehende Häuser unter 500.000 Euro, die bereits inklusive Grundstück (bei 300 Euro/qm), PV-Anlage samt Speicher, Zisterne, Garten, Terrasse und Garage oder Stellplatz sind.
„Durch Preis und Strategie eignet sich unsere Bauweise für den sozialen Wohnungsbau, macht aber auch eine Kommune für junge Familien attraktiv,“ sagt Kenner. Auch würden durch die preisgünstigen Neubau-Bungalows immer wieder große Häuser im Bestand frei, weil deren oft verwitwete Bewohner dadurch bereit wären umzuziehen. Und wo er ganze Quartiere entwickelt, plant er Nahversorger und Arztpraxen bis zu Kitas und Sozialstationen gleich mit.
Ulms Baubürgermeister Tim von Winning gefällt das Konzept. Der Architekt und Stadtplaner referierte über Strategien, mit denen die Donau-Metropole die Pariser Klimaziele erreichen könnte. 2022 hatte die Münster-Stadt den europäischen Umweltpreis in Gold für ihre Bemühungen erhalten. Das reicht vom Ausbau der Fernwärme, die von Kohle zunehmend auf regenerative Brennstoffe umgestellt wird, über die Nachverdichtung und den ÖPNV bis zur Begrünung der City und Entsiegelung von Flächen.
Kritisch merkte der Verwaltungs-Fachmann etwa an, dass für die energetische Sanierung kommunaler Gebäude das Kapital fehle, aber auch, dass binnen zehn Jahren der Pkw-Bestand in der Stadt um 10.000 Fahrzeuge auf zuletzt gut 80.000 gestiegen sei. Von Winning: „Der größte Hebel, um den ÖPNV zu fördern, wäre Parkplätze umzuwidmen.“ Doch wegen des großen Widerstands könnten etwa pro Jahr nur fünf neue Bäume in der gesamten City gepflanzt oder das Radwegenetz nicht ausgebaut werden.
Dass der Fachtag hochkarätig besetzt war, belegte auch das Referat von Lisa Badum. Die grüne Bundestagsabgeordnete ist klima- und energiepolitische Sprecherin ihrer Fraktion und Leiterin der deutschen Delegation bei den Weltklimakonferenzen. Viele ihrer Aussagen im Großen deckten sich mit den Erfahrungen, die Kempfle zuvor im konkreten Kleinen referiert hatte, etwa dem Bürokratieabbau seit dem Regierungswechsel 2022 rund um die Energiewende.
Bei PV, so die Bambergerin, liege der Zuwachs seither bei 400 Prozent, der von Windkraft habe sich verdoppelt. Die Folge: Trotz des Ausstiegs aus der Kernenergie sei parallel der Anteil des Kohlestroms um 63 Prozent zurückgegangen. Positiver Nebeneffekt: Deutschland transferiere nicht mehr Milliarden Euro in teils Diktaturen für den Import fossiler Brennstoffe, sondern schaffe heimische Arbeitsplätze und die Betriebe, die die Energiewende gestalten, zahlten Gewerbesteuer. Die Einführung der jährlich steigenden CO2-Steuer und der EU-Taxonomie mit europaweit klaren Grenzwerten mache sämtliche Technologien wie Abwärmenutzung, Geothermie oder Wärmepumpen wirtschaftlich und schone das Klima.