Dass viele Männer mit Zuständen wie „interessiert“, „neugierig“ oder „müde“ antworten, wenn ich sie bitte, mir ein Gefühl zu nennen, kenne ich aus vielen Firmenkontexten. Bei Männertreffen und Männerfestivals wie aktuell in Kirchschlag bei Linz antworten die Teilnehmer, die in meinen Stuhlkreisen sitzen meist ebenso – selbst, wenn sie in Männerarbeit bereits erfahren sind. Letzteres heißt in der Regel, dass sie bereits eine Männergruppe besuchen, was auch immer darunter verstanden und dort praktiziert wird: Manche laden sich Referenten ein, dann müssen sich die Zuhörer selbst überhaupt nicht zeigen. Einzig evtl. ihre Fragen „verraten“ dann, wo sie emotional (oder politisch) stehen.
Andere haben Gesprächskreise, Fortgeschrittene bereits mit Redestab, in denen nicht selten jeder reden kann und darf „wie ihm der Schnabel gewachsen ist.“ Womöglich wird das Gesagte sogar ungefragt kommentiert (Vorsicht Übergriff), diskutiert (Vorsicht, dann geht es darum, wer „recht“ hat) und es werden Rat-Schläge erteilt (Vorsicht Besserwisserei). In geübteren Gruppen wird gemeinsam meditiert, Yoga praktiziert, es werden Atem- oder Körperübungen miteinander gemacht und vieles mehr. Auch dabei wird immer wieder gefragt, was jemand fühlt. Und doch ist der Frager meist mit jeder Antwort zufrieden und fragt nicht nach.
Beim Männerfestival von Mittwoch bis Sonntag in Kirchschlag bei Linz, das über Fronleichnam 2025 wieder stattfindet, habe ich zwei gestalttherapeutische Workshops gegeben und vermutlich zu 70 Prozent Fragen gestellt, zu zehn Prozent referiert, dass es zum Beispiel nach C.G.Jung nur die vier Grundgefühle Freude, Trauer, Angst und Wut gibt, und zu 20 Prozent den Männern gespiegelt, was ich von ihnen höre, bei ihnen sehe oder in ihrer Körperhaltung und Mimik wahrnehme. Beide Workshops waren mit je knapp 20 Teilnehmern im Stuhlkreis sehr gut besucht, zumal ich jede Menge Konkurrenz durch andere Trainer und Coaches hatte, die parallel mit ihren Angeboten um die Gunst der ca. 130 Besucher warben.
Und wenn ich „frei“ hatte, besuchte ich meinerseits die zwei- bis dreistündigen Workshops, die ich über die vier Tage aus einer Fülle von ca. 70 Seminaren auswählen konnte. Ein Highlight war für mich etwa die Einführung mit praktischen Übungen in den japanischen Schwertkampf: Die Ästhetik und Würde des Referenten in seinen Bewegungen, die Präzision seiner Anweisungen und seine Empathie und Gelassenheit für uns Anfänger (Stümper). Fasziniert war ich vom Hata-Yoga oder den Paarübungen im Kurs zur Atmung, die ich in ihrer Vielfalt nicht erwartet hätte. Interessant auch, dass im Kern die anderen Referenten – teils in identischen Sätzen wie „es gibt kein richtig oder falsch“ – dieselben Haltungen vermittelten wie ich in meinen Workshops.
Genießen konnte ich im Kurs meines Berliner Freundes Torsten Nassall, dass ich auch mal Pause machen konnte und von außen, auf einer Couch liegend, dem Geschehen zusehen konnte. Dabei entstanden meine Handyfotos, wie die Teilnehmer nach knapp drei Stunden diesen engen Kreis bilden, die Arme über die Schultern der Nebenmänner legen und ganz dicht stehen: Verbunden, gemeinschaftlich, brüderlich. Dazu lief eine einfühlsame Musik und mir liefen die Tränen, ob dieses wunderbaren Anblicks und der Erkenntnis, dass all dies ohne mein Zutun geschah. Ich musste nicht nur nichts tun, damit Schönes geschieht, sondern ich konnte es auch mit der neuen Perspektive von außen aus einem anderen, größeren Blickwinkel genießen.
Das Männerfestival hat auch dieses Jahr wieder ganz viele, alte Verletzungen und Glaubensmuster bei den Teilnehmern gelöst, geheilt und verändert. Das ist das eigentliche Geschenk solcher Tage (im Dauerregen), an denen Vieles in Zelten, Jurten oder direkt im Freien geschieht: Aus Fremden werden Freunde, aus Konkurrenten Verbündete, aus Zauderern Mutige und aus Vorlauten Achtsame. Jeder Mann kann im anderen Anteile von sich selbst erkennen. Die eigene Vielfalt wird sichtbar. Niemand ist zum lebenslangen Opfer verurteilt. Im Gegenteil: Viele Männer sind in diesen Tagen in ihre Täterschaft gegangen. Sie fangen nun in ihrem sozialen Umfeld an, aufzuräumen, klar zu werden – und die Welt damit ein wenig besser zu machen.
Was sind denn Grudgefühle?
Und wieso lagst du auf ner Coach?
Das sind so Fragen die mich wirklich bewegen…
Liebe Grüße…
Danke, habe die Rechtschreibfehler korrigiert. Habe daran gesehen, wie erschöpft ich nach diesen Tagen war, zumal die Heimreise hochwasserbedingt acht statt fünf Stunden dauerte. Zudem haben mich die Verwüstungen gestern offenbar mental gelähmt, die ich hochwasserbedingt in Schorndorf wahrnahm. Unsere IGroup gestern Abend hatte sechs Absagen und nur fünf Anmeldungen, weil die Männer mit Keller auspumpen oder Frau und Kind trösten beschäftigten waren oder wegen sehr eingeschränkter Verkehrswege lieber fern blieben.