Schwertkampf, Schwitzhütte, Biographiearbeit, Reflexion der eigenen Sexualität oder Vaterschaft: Mehr als 70 Workshops und Gesprächskreise fanden über Christi Himmelfahrt beim 39. Bundesweiten Männertreffen in der Jugendherberge in Ratingen statt. Gut 80 Teilnehmer, mehr konnte das Haus wegen Personalmangels nicht aufnehmen, genossen von Mittwoch bis Sonntag intensive Tage. Darunter sind gruppendynamisch erfahrene Sozialpädagogen und Männer-Coaches, aber auch völlig unerfahrene Singles, Familienväter, Witwer oder Rentner.
Highlight dieses sehr basisdemokratischen Treffens, das seit der Wende auch bei ostdeutschen Männern auf großen Zuspruch trifft, ist die Befindlichkeitsrunde am Morgen und am Abend im Plenum. Genaue Beobachter spüren, wie von Tag zu Tag die Atmosphäre vertrauter, die Statements intensiver und persönlicher werden und teils in gruppendynamische und selbstheilende Prozesse übergehen, weil Redner etwa erstmals in ihrem Leben über erlebte Gewalterfahrung in der Kindheit oder sexuellen Mißbrauch sprechen oder Stotterer sich erstmals seit sie teils seit vielen Jahren schon teilnehmen ans Mikro trauen.
Relativ neu sind die Befindlichkeitsrunden in Kleingruppen vor dem Plenum, die ihre Konstellation für die gesamten Tage beibehalten. Auch so entstehen Nähe und Vertrautheit und Männer können üben, sich zumindest hier zu zeigen. Denn mancher hat, biographisch bedingt, auch Angst vor Nähe und/oder Männern generell. Für solche Teilnehmer ist bereits das Dabeisein heilsam und kraftvoll.
Jeweils samstags findet sich aus dem Plenum heraus ein mindestens siebenköpfiges Orga-Team, das zwei Jahre später das Treffen an einem Ort seiner Wahl ausrichtet. Entsprechend übergab das diesjährige Orga-Team sonntags an seine 2021 ermittelten Nachfolger die Regie, die Flyer für den 17. bis 21. Mai 2023 verteilten, wenn sich rund 120 Männer in der Jugendherberge von Helmarshausen (bei Göttingen) treffen. Dagegen beginnt das Orga-Team 2024 zeitnah mit der Haussuche für bis zu 200 Männer in zwei Jahren. Auch junge Väter mit Kindern sind stets willkommen, zumal eine Kinderbetreuung organisiert ist.
Als Gestalttherapeut und Männer-Coach, der 2019 erstmals dabei war und in Nordhessen auf Burg Ludwigstein gut besuchte Workshops anbot, scheine ich mich bei dem Treffen mit meinem Angebot etabliert zu haben. Die Begrüßung ist stets herzlich, etlichen Ex-Teilnehmern meiner Stuhlkreise sehe ich regelrecht die Veränderung ins Selbstbewußte hinein an und mancher erzählt mir beim Essen, in den Pausen oder abends am Lagerfeuer oder in der Kellerbar, wie ihn mein Workshop geprägt hat. Auch dieses Mal dürften rund 25 Männer meine Workshops besucht haben, die ich von Donnerstag bis Samstag anbot und dabei sicher zehn Prozesse mit einzelnen Männern in der Runde gestaltete.
Zweimal nutzte ich auch meinerseits das Plenum, um mich mit meinen Verletzungen und Wunden, aber auch meiner Täterschaft in meinen beiden gescheiterten Ehen öffentlich zu zeigen. Damit habe ich einerseits sehr viel bekommen, aber offenbar auch vielen Männern gegeben: Darüber im geschützten Raum reden, gerade auch vor einer (großen) Gruppe, hilft. Denn die Scham des Opfers weicht der Beschämung seiner Täter und die Vielzahl der Zuhörer (und derer Herzen) ist groß genug, den gezeigten Schmerz zu fassen – und in Liebe zu transformieren. Danke, Männer, die ihr dieses Männertreffen seit 1983 am Laufen haltet.