Vergeblich habe ich auf Youtube die diesjährige Büttenrede von Willibert Pauels im rheinischen Karneval gesucht, um sie hier meinen Lesern als ermutigendes Beispiel für Lebensbewältigung vorzustellen. Der katholische Theologe und Diakon geht darin gleichermaßen direkt wie humorvoll auf den aktuellen weltpolitischen Wahnsinn ein und die Bedeutung des Humors. Ersatzweise habe ich hier auf ein TV-Porträt verlinkt und dutzende Büttenreden der Vorjahre in seiner Rolle als „De bergische Jung“ stehen gleichfalls online. Was mich an dem 62-Jährigen fasziniert, ist seine Lebensphilosophie: So nutzt er den Karneval als Ausgleich für die represive Moral der katholischen Kirche.
Der Autor von „Lachen, Leiden. Lust am Leben. Die befreiende Kraft der Religion“ hatte 2012 selbst eine Depression, u.a. weil er bis zu 250 Auftritte als gefeierter Büttenredner hatte und dabei sich selbst verlor. Der Vater einer Tochter zitiert den Psychiater Borwin Bendelow, der gesagt hat: „Nicht die Bühne macht krank. Sondern Bekloppte machen Bühne.“ Denn wer ein Talent für die Bühne habe, sei in der Regel auch anfällig für psychische Störungen. Denn wer das Rampenlicht sucht, muss voll empfänglich sein und macht sich schutzlos. Es gilt, die Stimmung zu erfassen, die im Publikum herrscht, und die eigene Energie dort hinein zu investieren.
„Humor ist eine Erscheinungsform der Religion,“ zitiert der Theologe die Filmfigur Pater Brown aus den Krimis von Gilbert Chesterton. Denn: „Nur wer über den Dingen steht, kann sie belächeln.“ Das wahrste, tiefste Wesen der Religion sei der Trost. Und Pauels ist der Humor auch deshalb wichtig, weil er gleichfalls Trost spendet bzw. für einen Moment von Sorgen und Angst ablenkt. Zudem sind ihm der Karneval in Pfarreien, Kneipen und auf privaten Feiern vertrauter als der organisierte Frohsinn, bei dem es immer um Geld, Umsatz und TV-Quote geht, was dem Humor im Kern schon widerspricht. Entsprechend bekommen bei ihm Despoten ihr Fett ab, die sich selbst zu wichtig nehmen. Ein toller Typ.