Burkhard Mülln ist ein Macher: Hunderte, wenn nicht Tausende Migranten will der Fahrlehrer über die Teilqualifizierungen 1 und 3 (TQ1/TQ3) zu EU-Berufskraftfahrern für Lkw und Busse ausbilden. Seine Überzeugung: Damit hilft er der Wirtschaft und fördert den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft. Dabei ist der Köngener alles andere als ein Träumer oder Schwätzer.
Aktuell macht seine Fahrschule in Köngen mit sechs Fahrlehrern eine Million Euro Umsatz im Jahr, davon die Hälfte durch Fördermaßnahmen für Umschüler, Arbeitslose und Migranten. Der 57-Jährige hat seinen Umsatz binnen zehn Jahren vervierfacht, in dem er punktgenau auf die 2009 kreierte TQ-Ausbildung reagiert hat. Sogenannter EU-Berufskraftfahrer ist man inklusive Praktikum nach fünf (TQ 3 für Bus) oder sechs (TQ1 für Lkw) Monaten.
„Die TQ1 ersetzt nicht die dreijährige Facharbeiterausbildung und war ursprünglich als Umschulung für Arbeitslose gedacht,“ sagt Mülln, der an drei Standorten in der Region ausbildet. 89 TQ1- und 12 TQ3-Absolventen hatte der Hüne voriges Jahr, weshalb Spediteure, Verkehrsbetriebe und Hersteller bei ihm Schlange stehen und Fachzeitschriften regelmäßig über seine Ideen und Erfolge berichten. Jetzt hofft er auf Unterstützung aus der Politik.
Denn unter den 16.000 Absolventen pro Jahr wächst die Gruppe der Migranten. „Deren Durchfallquote läge nicht bei knapp 20 Prozent, wenn wir muttersprachliche IHK-Theorieprüfungen hätten,“ poltert der Macher, der sich generell ehrenamtliche und soziale Begleitung seiner Fahrschüler wünscht, „weil die Syrer, Afghanen und Marokkaner dann schneller in Arbeit kämen und wüßten, wie der Hase hier läuft.“
Dazu muss man wissen: Bundesweit gibt es 555.000 Lkw-Fahrer. Jährlich scheiden gut 30.000 aus und 16.000 kommen nach. Zum Vergleich: Die dreijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer machen im Schnitt 3200 Azubis pro Jahr, von denen aber nur knapp 2000 die Prüfung bestehen. Netto machte 2017 der gesamte Nachwuchs 16.081 Fahrer aus, weil nicht alle Absolventen als Fahrer arbeiten – oder als Migranten abgeschoben werden.
„15,5 Prozent aller Fahrer kommen aus Osteuropa, sonst wäre hier der Fernverkehr schon längst zusammengebrochen,“ referiert Mülln Zahlen des Bundesverbandes Güterverkehr und Logistik (BGL). Viele Speditionen hätten deshalb seit 2017 die Gehälter um 15 bis 20 Prozent erhöht, um die Jobs attraktiver zu machen. Vor diesem Hintergrund wollen auch 20 Speditionen und die Bundesagentur für Arbeit ihm weitere Fahrschüler schicken, die mangels Fahrlehrerkapazität aber oft nicht bedient werden können.
Mülln startet deshalb eine Offensive für mehr Fahrlehrer: Bis 2023 will der Workaholic idealerweise 200 Fahrlehrer in Stuttgart, Köln, Hamburg und Berlin beschäftigen, um flächendeckend Kooperations-Partner von Bundesagentur für Arbeit (BA), Rentenversicherungsträgern, Bundeswehr, THW, Feuerwehr, Speditionsverbänden und Logistikern sein zu können. Sein kurzfristiges Ziel: Den Umsatz binnen eines Jahres von einer auf 2,5 Millionen Euro steigern, also von 100 auf 250 Lizenzen für Bus und Lkw.
Zentrale Herausforderung für den Moment sei also, die Zahl der Fahrlehrer von sechs auf 16 zu steigern. Dann könnte er die fünf Lkw und zwei Busse im Zwei-Schicht-Betrieb auslasten, was die Rentabilität verbessert und den Fahrlehrern kompakte Arbeitszeiten ermöglicht. Das würde den Beruf attraktiver machen. Denn üblich sind Fahrstunden von 8 bis 16 Uhr in BA-Maßnahmen oder von 17 bis 22 Uhr, wenn Menschen nebenberuflich eine Lizenz erwerben. Das macht für Fahrlehrer, die pro Tag 600 Minuten arbeiten dürfen, den Arbeitstag sehr lang.
Im Zwei-Schicht-Betrieb blieben kompakte Zeitfenster für Familie, Freizeit oder Zweitjob. Außerdem kämen Nacht- und Wochenendzuschläge hinzu, sodass Fahrlehrer statt der üblichen 3200 Euro brutto pro Monat bei Mülln bis zu 5000 Euro verdienen könnten. „Fahrlehrer können mittelfristig auch Migranten sein, die so den sozialen Aufstieg in die deutsche Gesellschaft schaffen,“ brennt der Köngener für seine Idee.