Als Trainingslager hat Bruder Jakobus beschrieben, was ich über die Feiertage in Kloster Beuron mit 19 weiteren Männern und Frauen ausprobiert habe: Fünf Tage schweigen und täglich bis zu achtmal 25 Minuten mit dem Blick zur Wand auf einem kleinen Holzbänkchen im Fersensitz mit halb geöffneten Augen meditieren. „Schauen, was von innen kommt“, meinte der Benediktiner-Mönch, der in dieser Technik nach 40 Jahren Training ein Meister und in der Szene eine Koryphäe ist.
Für mich als Theologe faszinierend, wie er immer wieder in seinem täglichen Impuls den Bogen schlägt zwischen Zen und Christentum: Hier Buddha, der Erwachte; dort Christus, der Gesalbte. Jakobus spricht lieber vom Erwachten als vom Erleuchteten, weil sich beim Erwachten von innen heraus der Zustand ändert, er nämlich ins Bewußtsein kommt. Und der Gesalbte legt sich förmlich eine Creme-Schutzschicht auf, die sein Inneres schützt.
So sei auch er ins Kloster eingetreten, in dem er sich die ersten Jahre gefangen gefühlt habe. Tatsächlich aber sei das Claustrum, das Verschlossene, ein Schutzwall, damit möglichst wenig von außen ihn beeinflusst und beschädigt. So gesehen seien Kloster und Meditation ein Gewächshaus, in dem optimale Bedingungen für Wachstum geschaffen werden.
Wie aus meiner gestalttherapeutischen Arbeit oder der MKP-Männerarbeit vertraut, bei denen jeweils Achtsamkeit (Awareness) und strenge Regeln wichtig sind, doziert dies auch der charismatische Mönch: Zeitnahme, Beleuchtung, Heizung, Lüftung – alles ist geregelt und hat einen Zuständigen, „damit nicht jeder macht, was er will.“ Denn Disziplin und Fokussierung im Äußeren spiegelten die innere Arbeit wieder.
Meditation und Kontemplation, die für das Mönchtum essentiell sind, sind Betrachtungen nach innen, so der Meister, die er mit dem Mikroskop in der Physik vergleicht: Die Verfeinerung gehe immer noch weiter und weiter. Dabei sitzt der Meditierende bildlich gesprochen, in einem Raum mit geöffnetem Fenster. Er lauscht, was von dort zu ihm dringt. Er geht aber nicht aktiv ans Fenster und schaut nach draußen.
„Jeder kann die innere Stimme hören, wenn er will. Aber die wenigsten folgen ihr,“ referiert Jakobus. Mose (Ex 3,4) habe auf diese innere Stimme am Berg Horeb gehört. Im brennenden Dornbusch habe er Gottes Auftrag gehört, das Volk Israel um 1250 vor Christus aus der Sklaverei in Ägypten zu führen. Zwar habe auch er Bedenken gehabt, aber sich der Aufgabe gestellt. Das innere Hören habe auch Martin Luther King beachtet, der damit das Ende der Rassentrennung in den USA einleitete.
Wer meditiert, so der Mönch, begegnet seinem inneren Drachen, seinen „Leichen im Keller“ und seiner existenziellen Angst, durch die er weiter gehen muss. Denn Meditieren heißt für den Benediktiner „anschauen und loslassen, anschauen und loslassen – und nie bewerten und stehen bleiben.“ Damit trifft er einen Kern der Gestalttherapie, wie sich mir ohnehin in den fünf Tagen viele Parallelen zeigten.
Erst gut eine Stunde vor der Abreise brachen wir am Mittwoch in einem Stuhlkreis unser Schweigen. Längst waren mir diese Menschen vertraut, auch ohne ihre Stimme zu hören oder ihre Biographien zu kennen. Umso beeindruckter war die Wirkung, nun die unterschiedlichen Dialekte, Sprechtempi und Eloquenzen zu hören, aber auch von Motiven und Erfahrungen mit dem Meditieren, die die Lehrerinnen, Ingenieure, Betriebswirte, Krankenschwestern, Theologinnen oder Yoga-Lehrer gemacht hatten. Danke, Bruder Jakobus, für Deine spirituelle Präsenz und die Erfahrung, die Du mir ermöglicht hast. Danke.