„Städte genießen bei ihren Bewohnern mehr Vertrauen als Staaten“, so Eike Wenzel, weshalb ein Megatrend die digitale Stadt sei, in der neue Formen der Teilhabe an Mobilität, Bildung oder Wohnen entstünden. Beispiele des Heidelberger Trendforschers, der 2011 das Institut für Trend- und Zukunftsforschung gegründet hat: Die Städte Barcelona und Austin haben Uber nicht zugelassen und stattdessen lokale Mitfahr-Apps mit eigenen Akteuren etabliert.
Und in den USA, wo die Trump-Regierung auf Kohle und Öl setzt, leisteten ganze Bundesstaaten Widerstand, aber auch 300 Großstädte, die die Pariser Klimaziele nun eben lokal umsetzen. Eng damit verbunden, so Wenzel, ist der Trend zum Vertical und Urban Farming: Städter auf der ganzen Welt bauen an ihren Hochhausfassaden, auf Dächern und Balkonen Kräuter, Obst und Gemüse an.
Überhaupt bilden die Aspekte Ernährung und Agrar das aktuelle Megathema. „Die Menschen trauen verarbeitetem Essen nicht mehr, weil sie nicht erfassen können, was drin ist,“ sagt der promovierte Trendforscher, der an der Hochschule in Nürtingen einen Lehrstuhl hat, beim 8. Schorndorfer Unternehmerforum vor 400 Besuchern in der Stadthalle. Auch wachse die Gruppe der „Flexitarier“, die immer häufiger auf Fleisch verzichten, weil sie um die Problematik von dessen Herstellung wissen.
Deshalb nehme der Trend zu, aus pflanzlichen Zutaten synthetische Alternativen zu Fleisch zu kreieren, die „nur so aussehen und so schmecken.“ Die Niederländer hätten zudem bereits gute Fortschritte erzielt, die Flächenproduktivität nahezu zu verdoppeln und dabei den Ressourceneinsatz zu halbieren. Das geschieht bspw. durch PV-beheizte Gewächshäuser, intelligente Fischzuchten u.v.m.
Im Kern geht es bei diesen Trends um die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung, aber auch um die Vermeidung von Fettleibigkeit und Diabetes. In allen Industrienationen nehme der „Kampf gegen Zucker“, von dem wir statistisch 35 Kilogramm pro Jahr zu uns nehmen, zu. Das reiche von Kennzeichnung (D), über Besteuerung (F) bis zu Verboten (USA).
Zwei Drittel aller Megatrends befassen sich mit Nachhaltigkeit, so der Forscher, der zwischen Technologietrends wie Smartphone (zehn bis 20 Jahre), Konsum- und Gesellschaftstrends wie Regionalisierung oder Geiz (fünf bis zehn Jahre) und Produkttrends wie e-Bikes (zwei bis fünf Jahre) unterscheidet. Und die Digitalisierung wirke in allen Bereichen anders: Dezentral, personalisiert, Raum- und Zeit-souverän.
Ein Trend ist das Down-Aging, wonach wir immer älter werden und uns dabei immer jünger fühlen. „60-Jährige wollen heute wie 45-Jährige behandelt werden und verhalten sich auch so,“ gibt Wenzel für die Kundenansprache zu bedenken. Habe der Mensch früher drei Lebensphasen durchlaufen, seien es heute sechs: Neu ist etwa die Phase der 20- bis 30-Jährigen, die zwar erwachsen sind, aber noch nicht gehen bzw. zuhause wieder zwischenlanden. Das sei weltweit zu beobachten.
Mit 30 bis 55 Jahren durchläuft der moderne Mensch die „Rush hour“, in der er „mit tollen Kollegen in einem angesehenen Beruf bei Topp-Bezahlung und cooler Führung anspruchsvolle Projekte macht.“ Für Männer habe das schon bisher gegolten, doch nun reklamierten auch die Frauen diesen Anspruch für sich. Ab 55 Jahren folge dann der „zweite Aufbruch“ mit genügend Zeit und Geld im Hintergrund. Und: In jeder Phase hat derselbe Mensch komplett andere Bedürfnisse.
Ein Trend, der sich auch weltweit abzeichne und die anderen Trends überlagere: Das Mehr-Generationen-wohnen als soziale und finanzielle Absicherung nach innen, wo im Außen alles instabiler und unsicherer werde. Wenzels These: „Nicht der neue Mann kommt, der sich in Familie und Haushalt engagiert, aber dieses uralte Modell kommt wieder.“ Und dann gibt der Referent, der viel über Urbanisierung gesprochen hat, den Zuhörern noch eine Vision mit: „Von den smart Cities ist der nächste Schritt zu den smarten Bürgern.“