Großer Pressebericht: Zerstören im „Rageroom“ soll helfen, die Wut abzubauen.

Was für ein kommerzieller Quatsch: Findige Unternehmer kreieren „Ragerooms“, in denen Besucher gegen Geld alles kurz und klein schlagen dürfen, was sie in dieser Lokalität finden. Und damit das so richtig gelingt, stellt der geschäftstüchtige Anbieter auch Vorschlaghammer, Brecheisen oder Baseballschläger zur Verfügung. In Kornwestheim bspw., worüber die „Südwest Presse“ aus Ulm jüngst geschrieben hat, macht das Angebot ein Auktionshaus-Betreiber nebenbei. Vermutlich mit dem Plunder – PCs, Vasen, Möbel etc. – der nicht verkäuflich ist.

Man könnte das Angebot, für das die Kunden offenbar Schlange stehen, wahlweise lustig finden oder originell. Immerhin ist es besser als Vandalismus an fremdem Eigentum oder aggressives Fahren im Straßenverkehr, das nicht zuletzt auch andere massiv gefährdet. Was mich als Gestalttherapeut und Männer-Coach aber an diesem Angebot stört, ist, dass die Wut nicht gewürdigt, geschweige denn als Ressource für Veränderung produktiv kanalisiert, sondern verzweckt, vermarktet und letztlich verhöhnt wird.

Denn zuschlagen und zerstören, noch dazu in einem risikofreien Raum, ist keine Lösung, sondern Destruktion pur und letztlich eine Kompensation für nicht gelebte Gefühle. Das belegen die im Artikel erzählten Beispiele, etwa einer zierlichen 24-Jährigen, die beim Zerstören im „Rageroom“ unter dem Gelächter ihrer Freunde ihren gesamten Frust darüber ausagiert, wie sie am Arbeitsplatz mit sich umgehen lässt.

In Wahrheit verhöhnen sogar ihre Freunde sie, die sie als zurückhaltend und schüchtern im „normalen Leben“ kennen und sie hier noch anfeuern, damit sie zur „Bestie“ oder zum „Monster“ wird: Was für ein Quatsch! Und tags darauf wiederholt sich im Büro dasselbe „Spiel“ und wieder muss die junge Angestellte in den „Rageroom“ oder zum Boxen ins Gym.

Würdiger und zielführender wäre doch, mit dieser jungen Frau an ihrem „Brav-sein“ und „Dulden“ zu arbeiten. Warum sie das macht? Wer ihr das beigebracht hat (in der Regel die eigene Mutter!)? Und was ihr Risiko wäre, bspw. in der Firma mal laut zu kommunizieren, was ihr nicht passt, wie sie tatsächlich geführt werden möchte u.v.m. Der „Rageroom“ ist nur eine neue Variante, wie Menschen ihr Leben nicht gestalten, sondern ertragen. Alkohol oder Cannabis sind typische „Ventile“, mit denen Betroffene ihre Wut deckeln. Bei jungen Frauen ist es oft Ritzen, bei Männern Pornosucht.

Wie hilfreich ist es dagegen für Menschen, die bei mir im Einzel sind oder in der Gruppe arbeiten, mal meine Frage zu beantworten, WAS sie so wütend macht und WER. Dann wird es spannend – und emotional. Dann fallen konkrete Namen von „Tätern“, beschreiben Betroffene typische Situationen der Bevormundung oder gar Demütigung etc. Wenn ich dann frage, welche Strafe der „Täter“, z.B. der Chef, die Kollegin oder die eigene Mutter verdient hätte, kommen konkrete Ideen, die oft sogar in tiefe Abgründe blicken lassen.

Hier, im geschützten Raum des Einzels oder der Gruppe, sind diese tiefen Schatten und finsteren Gedanken willkommen, weil sie Teil unserer (unterdrückten) Realität sind. Bei Amokläufern bspw. „schießt“ das Unbewußte und Verdrängte explosionsartig ins Bewußtsein und bricht sich dann brachial Bahn in der Realität. Im geschützten Raum des therapeutischen Settings können wir dagegen damit arbeiten. Die Fantasie, der Mutter „endlich ihr verdammtes Maul zu stopfen“ oder dem Chef „in die Fresse zu hauen“, kann hier ausagiert werden, gleichsam als Experiment.

Geht es dann aus diesem Labor zurück in die Realität, entwickle ich mit meinen Klienten Werkzeuge, die grundsätzlich alltagstauglich sind. Dabei geht es immer darum, klare Grenzen zu ziehen, die ein anderer nicht (ungestraft) überschreiten darf. Das heißt z.B., Überstunden oder Mehrarbeit zu verweigern oder nur unter Bedingungen zu leisten, die verhandelt werden. Oder der Mutter zu sagen: „Wenn ich Deine Meinung hören will, frage ich dich (und bis dahin schweigst Du)!“ Dazu gehören Sanktionen, etwa Vorgesetze, den Betriebsrat oder einen Anwalt einzuschalten, wenn die Grenze im Beruf nicht respektiert wird. Oder der Mutter zu sagen: „Und wenn Du diese Regel brichst, stehe ich sofort auf und gehe.“

So geschieht wirkliche Veränderung, die das eigene Leben und das soziale Umfeld deutlich verbessert. Dieser Weg kostet aber Mut, Kraft und Zeit (und oft das Honorar eines Therapeuten). Dagegen tritt man im „Rageroom“ letztlich auf der Stelle, kompensiert nur das eigene Elend für einen kurzen Moment und nimmt sich und seine Gefühle, im konkreten Fall die Wut, nicht ernst.

Männern, die meine Sicht anspricht, kann ich bspw. den „Männertag Nordost“ am 19./20. Juli in Krautheim-Oberginsbach empfehlen, wo neben anderen Trainern auch ich einen Workshop anbieten werde. Auch der Besuch meiner diversen Männergruppen in Schorndorf, Donzdorf oder Schwäbisch Hall kann der Beginn einer persönlichen Veränderung sein oder die Wochenenden, die ich in Kloster Schöntal bspw. zu den vier Archetypen nach C.G. Jung anbiete. Du bist herzlich willkommen.

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