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Nach einem Geschäftstermin und einem verspäteten ICE bin ich jüngst in Hannover in einen IC gestiegen und fand nur deshalb dort einen Platz, weil im gesamten Wagen die Klimaanlage ausgefallen war. Trotz der misslichen Lage saß mir vis à vis eine zierliche, ältere Frau, die mich anlächelte. Und da sie ein großes Kreuz umhängen hatte, fragte ich sie, ob sie Ordensschwester sei.

Die 76-Jährige, die deutlich jünger wirkte, bejahte und wir kamen ins Gespräch, dass sie in Chile seit 50 Jahren mit den Ärmsten arbeite und nun nach Basel unterwegs sei. Ich wiederum erzählte, dass ich katholische Theologie studiert habe, weil ich einst Priester werden wollte, nun aber Wirtschaftsjournalist sei. Schon hier unterstützte sie mich, dass dies bestimmt eine gute Wahl gewesen sei und ich in meinem Beruf vielen Menschen Gutes tue.

Im Bistro des IC nach Mannheim erzählt mir Karoline Mayer bei einem Glas Bier von ihrer Arbeit mit den Ärmsten in Chile und ihrer Rebellion gegen den Neo-Liberalismus, der dort herrscht. FOTO: FROMM

In Kassel-Wilhelmshöhe wechselten wir in einen ICE, der uns bis Mannheim brachte und schon beim Einstieg achteten wir darauf, beisammen zu bleiben, um das Gespräch fortführen zu können. Immer deutlicher wurde, dass diese kleine Frau eine Rebellin ist, die aus ihrem Orden früh wieder ausgetreten ist, weil sie dort nicht radikal genug hätte Armut und Ungehorsam gegen die Diktatur leben können. Diese Stringenz gefiel mir und ich lud Karoline, die ab dem ersten Moment auf das Duzen bestanden hatte, im Bistro auf ein Bier ein.

Wendig und ohne Attitüde kämpfte sie sich durch mehrere Waggons im ausgebuchten Zug mit mir zum Bistro durch, wo ich ihr von der Männerarbeit erzählte, die ich zunehmend mache. So kamen wir auch auf unsere Väter zu sprechen und viele intime Details aus unseren Biographien. Immer mehr erinnerte mich diese bescheidene und freundliche (Kranken-)Schwester an Mutter Teresa und mir wurde bewusst, dass diese Frau eine gewisse Prominenz hat.

So ergab sich, dass sie mit Hirnforscher Gerald Hüther befreundet ist, dessen Tochter bei ihr in Santiago de Chile hospitiert hat, oder Daniela Schadt, die Lebensgefährtin von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, sie dort besucht hat. Schließlich kramte sie aus ihrem Gepäck ihre bei Herder (!!!) erschienene Biographie, die eine Radiojournalistin über sie verfasst hat und schrieb mir eine Widmung hinein.

Dann gab sie mir noch zwei Ausgaben ihres Fördervereins „Cristo Vive Europa“ mit, in denen etwa Berichte vom Besuch der Ministerpräsidenten Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz, SPD) und Volker Bouffier (Hessen, CDU) standen. Zuhause googelte ich die fromme Frau und fühlte mich bestätigt, dass ich da eine Person des öffentlichen Lebens getroffen hatte, die in Chile ein TV-Star ist. Ihr Förderverein mit Sitz in Göttingen zählt übrigens 670 Mitglieder und überweist jährlich rund 500.000 Euro an Spenden nach Chile, Bolivien und Peru, wo die gebürtige Bayerin in Summe 180 Mitarbeiter in Kliniken, Schulen, Hospizen und Armenküchen beschäftigt. Wir sehen uns wieder, liebe Karoline. Danke, dass es Dich gibt!

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